Fidan Aghayeva-Edler | Toy Piano

Bei PRIMAL PATTERNS handelt es sich um eine Mini-Reihe von Konzerten, die als Schaufensterkonzerte an unterschiedlichen Veranstaltungsorten Berlins stattfinden werden. Im Rahmen des Programms spielt die Pianistin Fidan Aghayeva-Edler fünf ältere und drei neue, explizit für diese Konzerte komponierte, Werke für Toy Piano (Spielzeugklavier) und eine Improvisation.

John Cage „Suite for Toy Piano“ (1948)
Julia Wolfe „East Broadway“ (1996)
Michael Finnissy „Sonata for Toy Piano“ (2006-2007)
Dai Fujikura „Milliampere“ (2010)
Fidan Aghayeva-Edler Live Improvisation
Dai Fujikura „Minas Song“ (2013)
Margarete Huber „Number One“ (2021) UA
Florence Anna Maunders „Primal Patterns“ (2020) UA
Emily Pedersen „Caged Innocence“ (2021) UA

Das Thema „Homeschooling/Parenting im Lockdown“ dient als Verbindung für die Werke des Projekts. Die Aufführungstermine werden sich gleichmäßig über den Frühling verteilen: gespielt wird in Weißensee, Charlottenburg, Prenzlauer Berg und Wedding. Das Konzertprogramm wird mindestens einmal livegestreamt über Youtube und Facebook. Das Ohrpheo-Konzert wird nicht gestreamt.

Das Projekt

Das Toy Piano ist dem breiten Publikum als Soloinstrument nur wenig bekannt. Auch um dies zu ändern, wird mit PRIMAL PATTERNS ein Toy Piano Repertoires präsentiert, das in Verbindung mit der Reflexion über die aktuellsten Themen des Lockdowns (Parenting, Homeschooling, soziale Einschränkungen) in den Schaufenstern der kleinen Kiezläden (da wo man heutzutage immer ist!) die frühlinghafte Leichtsinnigkeit und einen unbeschwerten Kulturgenuss langsam ins Leben zurückholen möchte. Es gibt nur wenige PianistInnen in der Welt, die am Toy Piano ein abendfüllendes Solokonzert spielen. Jedoch ist das Spielzeugklavier für ein Lockdown-Schaufensterkonzert perfekt geeignet. Es hat eine besondere Individualität, ist mobil und bietet einen großen Forschungsraum für KomponistInnen.

Poster der Konzertreihe PRIMAL PATERNS - Die Termine

PRIMAL PATTERNS

Ursprünglich als Spielzeug gedacht, wurde das Toy Piano 1948 durch John Cages "Suite" als professionelles Solo-Instrument bekannt. Viele Familien kennen das Toy Piano immer noch nur als ein Spielzeug oder eine Art Einführung in die musikalische Erziehung.

Während des Lockdowns wird es viel belebter und lauter im Haushalt. Das längst vergessene Toy Piano erobert das Podium. Es wird gespielt, geklimpert und geknallt.

Inspiriert von Erik Saties Minimalismus, wendet sich Cage in seiner "Suite for Toy Piano" zurück an die Tonalität und Melodie. "Suite" besteht aus fünf kurzen Sätzen, von denen keiner länger als zwei Minuten dauert. Cage mochte das reibende Klingen und die begrenzte Reichweite des Instruments. Das Stück kann mechanisch aber auch strukturell immersiv sein.

Ist es tatsächlich spielerisch? Ist es darum einfach zu bespielen? Besonders in der Lockdown-Situation, in der man ständig überfordert ist ...

Julia Wolfes "East Broadway" ist für Toy Piano und Toy Boombox geschrieben. Der Boombox-Teil ist ein bizarres Zuspiel, dass mit dem Toy Piano-Teil über einen Click Track, den der Performer über Kopfhörer hört, koordiniert wird. Der Performer muss also ganz strikt spielen, damit die Techno-Musik aus der Boombox genau dort aufhört, wo das live gespieltes Toy Piano ansetzt.

Es ist ein Chaos. Es wird zur Zeit in einem Raum gleichzeitig geredet, gelernt, gesungen, gespielt, getrampelt, gekämpft, gearbeitet und geübt. Es muss irgendwie funktionieren, aber wieviel Freude bringt allein das Funktionieren?

"Sonata for Toy Piano" des britischen Komponisten Michael Finnissy ist ein täuschendes Stück. "Allegro" heißt hier nicht schnell; "Happy" ist ein Begriff für Moll-Akkorde, und man findet sich in endlosen trostlosen Wiederholungen, die ganz obskur an den berühmten "Murmeltier-Tag" erinnern. Die fein gearbeitete Miniatur "Milliampere" ist eigentlich eine Kadenz des Toy Piano Konzerts von Dai Fujikura ("Ampere") und wirkt in diesem Zusammenhang wie ein kurioser Moment des Stillstandes. Es soll auch im Sinne des improvisierten Virtuosentums des 19.Jahrhunderts klingen – mit übertriebenen ritardandi und accelerandi, was den Zuhörer direkt zur eigenen Improvisation der Pianistin führt.

Ist das Spielen ein Teil des Alltags für alle? Oder nur für Kinder? Wenn Spiel und Interaktion mit dem eigenen Kind zum Job wird und wenn der eigentliche Job in ein Jonglierspiel verwandelt wird, wieviel Raum bleibt für mich? ... Als Mutter reflektiere ich über diese Fragen in meiner Improvisation, mit der ich mich intensiv erst seit dem Beginn des Lockdowns auseinandergesetzt habe.

"Minas Song" ist ein weiterer Titel vom japanischen Komponisten Dai Fujikura. Er beschäftigt sich intensiv mit der Erziehung seiner Tochter und postet ihre täglichen Weisheiten in sozialen Netzwerken. Dieses Stück basiert auf einem Thema, das seine damals 2-jährige Tochter auf ihrem Spielzeugklavier spielte. Toy Piano bietet derart Platz für beides: für "Kinder-Experimente" und für "Erwachsenen-Weisheiten".

Es kostet eine gewisse Mühe, am Toy Piano einen dezenten Ton zu produzieren. Aber vergessen Sie die Essenz nicht! Qualität ist zu diesem Zeitpunkt des Lockdowns – ein sehr bedingt tragfähiges Konzept.

Margarete Huber setzt sich in ihrem Stück "Number One" spielerisch mit der Frage auseinander, ob es in der sogenannten „Neuen Musik“ überhaupt „Hits“ gibt? Außerdem möchte sie vielleicht auch dem Geheimnis des sie seit ihrer Kindheit faszinierenden Synthie-Pop-Klassikers „Popcorn“ (1969 von Gershon Kingsley komponiert) ein wenig näherkommen.

Der genaue Ablauf des Schaufensterkonzerts wird für die Passanten visuell greifbar sein. So erkennen sie den in der letzten Zeit anvertrauten Rhythmus des sogenannten "Murmeltier-Tages".

"Primal Patterns" von Florence Anna Maunders basiert auf Mustern aus der Primzahlenfolge 19, 17, 13, 11, 7, 5, 3 in aufsteigender und absteigender Reihenfolge, jedoch so, dass sie ineinander greifen, um größere Musterwiederholungen von 3, 5, 7, 11, 13, 17 & 19 zu bilden. Die beiden Hände der Pianistin füllen zusammen das gesamte harmonische Spektrum aus. Die kaskadierenden Muster von Tönen und rhythmischen Zyklen greifen ineinander, um den musikalischen Raum während der gesamten Dauer des Stücks vollständig mit Klang zu füllen. Die Hände überlappen sich ständig und die Musik ist absolut ohne Pause, was die Situation, die viele Eltern in Lockdown erleben, widerspiegelt: den Versuch, "Homeschooling" mit "Homeoffice" zu jonglieren und trotzdem rechtzeitig zum Kochen, Essen, Einkaufen etc. zu kommen. Es scheint, dass die voneinander abhängigen Muster völlig unerbittlich sind und außerhalb der Kontrolle der Pianistin bzw. Komponistinnen liegen. Der gesamte Zyklus der ursprünglichen Muster muss abgeschlossen sein; erst dann kann die Musik für einen Moment ruhen.

Am Ende des Konzerts kommen wir dort an, wo wir angefangen haben. Ist es nicht auch unserer größter Wunsch, nach dem Ende des Lockdowns zur viel besprochenen "Normalität" zurückzukehren?

Emily Pedersen schreibt zu ihrem Werk "Caged Innocence": Ich recherchierte an der "Suite for Toy Piano" von John Cage und fand heraus, dass er sie mit selbst auferlegten Einschränkungen schrieb, weil er dachte, "nichts Großes sei gut“. Ich reflektiere in meinem Stück über die Tatsache, dass wir nichts "Großes" im Lockdown haben können und dass wir unfreiwillig eingeschränkt sind in unserer Wahl. Über die Idee, dass etwas „Gutes“ ein kleiner, reiner, einfacher kindlicher Zustand ist; dass etwas „Gutes“ im Inneren steckt und dass wenn unsere körperliche Freiheit eingeschränkt ist, wir an das greifen, was wir in unserem Geist geschaffen haben.

Ich schaue aus dem Fenster heraus. Drinnen spiele ich Toy Piano. Draußen läuft das Leben. Ich höre Stimmen, Lachen, Autos, Vögel... Ein naives Sprichwort fließt duftend in den Raum herein: "All work and no play makes Jack a dull boy."

FIDAN AGHAYEVA-EDLER

Foto von Fidan Aghayeva-Edler (Pianistin)

FIDAN AGHAYEVA-EDLER – geboren und aufgewachsen in Baku, Aserbaidschan. Sie spielte bereits als Siebenjährige auf dem Konzertpodium, mit elf Jahren trat sie erstmals mit einem
Sinfonieorchester auf, mit dem sie das Klavierkonzert d-Moll von Mozart aufführte. Studium in Aserbaidschan, Norwegen und Deutschland (*Konzertexamen Abschluss 2016). Meisterkurse bei u .a. Marino Formenti, Eric Schneider, Leif Ove Andsnes, Jerome Löwenthal, Josep Colom und Peter Donohoe. Als Solistin und mit Ensemble war sie unter anderem in der Berliner Philharmonie, in der Waldbühne Berlin, im Musikinstrumentenmuseum Berlin, im Steintor Varieté Halle, in der Moritzburg Halle, in der Grieghallen Bergen, im Moskauer Konservatorium in Rachmaninovs Halle zu sehen. Als Solistin spielte sie mit dem Staatlichen Symphonieorchester Aserbaidschans und der Philharmonie Bergen.

Als Solo-Pianistin wurde sie zur Konzertreihe „musica reanimata“ im Konzerthaus Berlin (2019), zum Impuls Festival (2014 und 2019), dem Aurora Festival Sweden (2017), dem ICPA Festival (2017), den Händelfestspielen (2015), dem Festival «Verfemte Musik» Schwerin (2014), dem internationalen Festival Sobiraem Druzey, Moskau ( 2011), dem Borealis Festival (2010), den Bergen Festspillene (2011) und der internationalen Woche der Konservatorien, St. Petersburg (2007) eingeladen. Sie ist Gewinnerin des permanenten internationalen Wettbewerbs für Klavierkreativität (2017). Sie tritt regelmäßig auf unterschiedlichen Neue-Musik-Platformen in Berlin, u. a. im BKA-Theater bei der Konzertreihe „Unerhörte Musik“ auf, wo sie jedes Jahr ein neues Klavierrezital präsentiert.

Fidan Aghayeva-Edler nahm 4 CDs und Alben auf:

  • 2016 «Klavierwerke», Musik von Wolfgang Stendel & Ernst Krenek als Ensemble-Mitglied,
  • 2019 eine Solo-CD «Verbotene Klänge: Sechs Suiten» unter dem Label Kreuzberg Records mit der Musik von A.Schönberg, E. Krenek, B. A. Zimmermann, E. Schulhoff, U. Mamlok und V. Shlonsky. Die Solo-CD enthält die erste Aufnahme der Suite «Pages from the Diary» der israelischen Komponistin Verdina Shlonsky,
  • 2020 „Twenty for piano“ als Teil des Projekts von britischen Komponisten Robin Haigh.
  • 2020 „The Black Garden“ - 7 Improvisationen mit Humay Gasimzade auf Aserbaidschanische Volksmelodien.

Ihre Solo CD „Verbotene Klänge: Sechs Suiten“ wurde u. a. im Bayerischen Rundfunk, auf RBB Kultur, im Klassikcast des Goethe Instituts vorgestellt und bekam lobende Reviews im Fonoforum (10/19) und Pianonews (01/20).

Sie ist in der Berliner zeitgenössischen Musikszene aktiv und arbeitet mit KomponistInnen wie Sarah Nemtsov, Chaya Czernowin, Olga Neuwirth, Marti Epstein, Aziza Sadikova, Margarete Huber, Naomi Pinnock, Jakob Diehl, Sebastian Elikowski-Winkler, Mayako Kubo, Olga Rayeva, Martyna Kosecka, Florence Anna Maunders, Dominik Susteck, Kristen Baum, Jeanne Artemis Strieder, Andreas Staffel, Inti Figgis-vizueta, Alex Paxton, Onur Dülger, Ben Gaunt u. a. eng zusammen.

Während der Corona-Pandemie hat sie tägliche Livestream-Videos über Facebook und Youtube gesendet, wo sie über 50 aktuellste Klavierstücke (u. a. 12 Uraufführungen) gespielt hat. Für Ihre Improvisationen hat sie 2020 ein Stipendium von der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa bekommen. Ihr Fokus liegt auf der Wiederentdeckung von Musik verfolgter KomponistInnen. Sie bemüht sich, die Musik männlicher, weiblicher und nicht-binärer Komponisten in ihren Konzertprogrammen gleichermaßen zu repräsentieren. Sie entdeckt immer wieder neue musikalische Sphären, wie beispielsweise improvisierte Performances (Solo oder im Ensemble) mit erweiterten Klaviertechniken, und realisiert interdisziplinäre Projekte (u. a. mit Poesie und Tanz). Sie spielt im Film (u. a. „Fabian oder Der Gang Vor Die Hunde“ 2021 von Dominik Graf und „Nocturne“ 2022 von Oliver Alaluukas).

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